Toubab

Letzte Tag in Marokko

Nachdem wir in Marrakech Weihnachten verbracht haben, fahren wir in zwei kalten Tagen nach Asilah, einer kleinen aber sehr schönen Stadt am Atlantik nur 40 Kilometer von Tanger entfernt. Wir verbringen hier unsere letzten zwei Tage auf dem afrikanischen Festland. Hier haben wir sogar einen Fernseher im Hotelzimmer und werden vom Weltgeschehen wieder eingenommen: Wir erfahren von der gigantischen Flutwelle mit den tragischen Folgen in Asien. So wird uns wieder bewusst, dass wir in diesen drei Monaten kaum etwas mitgekriegt haben, was in der Welt so passiert (auch mehr durch Zufall haben wir erfahren, dass Bush wieder gewählt wurde). Auch wurde uns klar, dass bei vielen Menschen in Afrika die Welt da aufhört, wo sie mit eigenen Mitteln hinkommen und das ist oft nicht sehr weit! So leben sie mit ihren Freuden und Sorgen und rund herum passiert, was passieren mag…

Mit schweizerischer Pünktlichkeit finden wir vier uns in Tanger am Hafen ein, umfahren allfällige Schlepper mit Lockerheit und erledigen unsere Papiere. Mit uns stehen ausschliesslich Marokkaner am Hafen, die in Italien leben. Ihre Autos sind vollgepackt mit allem erdenklichen. Natürlich wollen die Zöllner alle Autos genau kontrollieren und so vergeht die Zeit wie im Fluge. Als wir unser Landy im Parkdeck sicher abgestellt haben, suchen wir unsere Kabine auf. Irgendwie macht sie aber nicht so einen sauberen Eindruck auf uns, aber eben, es sind ja nur zwei Tage - in shallah.

Die Überfahrt von Tanger nach Genua

Vom Deck aus beobachten wir, wie die Crew während gut zwei Stunden versucht, zwei italienische Reisecars in das Schiff zu manövrieren, doch die Cars sind zu hoch und passen einfach nicht hinein. So steigen dann die Carpassagiere wieder aus dem Schiff aus und wir hoffen, endlich abzulegen, schliesslich hätte das Schiff schon vor zwei Stunden abfahren müssen. Doch aus unerklärlichen Gründen verschwindet die Besatzung in die Wärme und das Ablegemanöver verschiebt sich um eine weitere Stunde. Wir erkunden in dieser Zeit die Fähre, die ihre beste Zeit schon länger hinter sich hat, dafür fehlt die Moschee nicht. Das Mittag- und Abendessen will uns auch nicht richtig schmecken und die Mitreisenden mit ihren doch etwas anderen Tischsitten lassen unsere Sehnsucht nach einer kurzweiligen Rückreise vergrössern. Endlich fährt das Schiff dann doch ab und wir geniessen den letzten Sonnenuntergang über der Stadt Tanger beim Verlassen des Hafenbeckens.

Am zweiten Tag beginnt das grosse Schaukeln. Winterstürme im Mittelmeer sind eigentlich normal und wir haben die entsprechende Chemie auf Lager, so dass wir die Fahrt an Deck trotzdem geniessen. So aus reiner Neugierde stellen wir das GPS ein und stellen oh Schreck fest, dass wir kaum vom Fleck gekommen sind. Doch die werden die Zeit ja wohl wieder einholen. Der Sturm nimmt zu, das Schiff schlingert heftig und stampft ächzend über die hohen Wellen. Sämi nimmt nur wenig des Abendessens zu sich und legt sich schon früh auf die Pritsche…

Am Morgen des dritten Tages stellen wir fest, dass wir gerade 500 von 1500 Kilometern zurückgelegt haben und begeben uns zum Informationsschalter. Die beiden hübschen Damen fehlen, dafür kommt ein junger Mann zu uns und fragt freundlich nach unserem Begehren. Leider kann er uns nicht die gewünschte Auskunft geben, verspricht aber, sofort zum Kapitän zu gehen, um nachzufragen. Stattdessen nimmt er den Staubsauger in die Hand und setzt seine Arbeit fort (wenn Allah will, dass wir später ankommen, dann kommen wir halt später an...). Kurze Zeit später klopft es an die Tür und der junge Mann bringt uns die Nachricht, dass das Schiff nicht wie geplant um 17 Uhr, sondern um 23 Uhr ankomme und das sei ganz sicher. Regi versucht ihm zu erklären, dass das in Anbetracht unserer Position gar nicht möglich sei, doch er wiederholt mit Bestimmtheit die Ankunftszeit. Nun, die See hat sich wieder beruhigt, unsere Mitreisenden wagen auch wieder ein paar Schritte ohne Kotztüten und das Schiff fährt auch wieder etwas schneller. In regelmässigen Abständen überprüfen wir unsere Position und es wird immer klarer, dass wir eine weitere Nacht auf dem Schiff verbringen werden.

Mit 13-stündiger Verspätung legt das Schiff am Morgen um 6 Uhr in Genua an. Sofort beginnt emsiges Treiben auf dem Schiff und auch wir begeben uns ins Parkdeck. Doch wir haben die Rechnung ohne die Polizei von Italien gemacht: Sie wollen alle Passagiere wieder oben haben, wo genau weiss niemand und so marschiert alles chaotisch vom Bug zum Heck und wieder zurück. Endlich ist dann die Registrierungskarte ausgefüllt und man begibt sich wieder ins Parkdeck. Leider sind die Fahrer der vordersten Fahrzeuge noch nicht zurück und so müssen halt alle warten…

David und Isabel haben es da einfacher, sie manövrieren ihre Motorräder zwischen den Autos durch, geben ihre Karte ab und fahren los (sie werden von einem Kollegen mit Auto und Anhänger abgeholt, so dass sie nicht im Schneetreiben durch Europa fahren müssen). Regi und Sämi bleiben noch ein Weilchen. Das Chaos beginnt, wie das vorderste Fahrzeug den Motor anlässt. Jetzt werfen alle ihre Motoren an und bald zieht ein Dieseldunst durch das Schiff und der Kohlenmonoxidspiegel steigt. Gefahren wird irgendwie und die marokkanische Schiffsbesatzung, die italienischen Polizisten und Zöllner winken unabhängig von einander, jeder nach seinem persönlichen Gutdünken. Um 9 Uhr haben wir es dann doch geschafft.

Plötzlich Winter

Kurze Zeit später finden wir uns in strahlendem Sonnenschein in der schönsten Winterlandschaft wieder. Still staunen wir ab der Schönheit der Alpen. Schon am frühen Nachmittag sind wir zu Hause - 20344,7 Kilometer nach unserer Abfahrt steht der Landy wieder vor unserem Haus.

 

So geht unsere Reise zu Ende. Wir haben sie in vollen Zügen genossen und - der Leser ahnts - wir haben längst beschlossen, dass die nächste Reise schon bald wieder ansteht, in shallah!