Toubab

Fahrt durch Europa

Montag, 4. Oktober 2004: Es geht los! Nach sorgfältigem Einpacken sind wir endlich reisebereit. Die Vorfreude ist gross. Das Auto ist vollgetankt, der Kühlschrank aufgefüllt und alles Gepäck ist am richtigen Ort.

Wir verlassen bei strahlendem Herbstwetter Winterthur. Wir haben vor, Europa schnell zu durchqueren und fressen Kilometer. In der Nähe von Lyon ist es Zeit für ein erstes Nachtlager. Wir fahren von der Autobahn weg und suchen nach einem Campingplatz. Wir landen auf einem Platz, der vor allem von Langzeitcampern belegt ist und da die Saison sich dem Ende zuneigt, ist er schon halb verlassen. Auf jeden Fall ist die Stimmung seltsam, wir fühlen uns nicht sehr wohl. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir im Anbetracht der bevorstehenden Reise ein bisschen aufgeregt sind…

Wenigstens ist es sehr mild an diesem Abend, so dass uns das Leben unter freiem Himmel sofort wieder gefällt.

Tags darauf ziehen wir früh weiter gegen Süden hin, das Mittelmeer lockt... Kurz vor der spanischen Grenze direkt am Meer schlagen wir unser Zelt auf und bieten den hiesigen Mücken Nahrung (eigentlich erwarteten wir aggressive Mücken erst später auf unserer Reise...).

Spaniens Autobahnen sind nicht interessanter als diejenigen Frankreichs, die Fernfahrer mit schweizer Kennzeichen nehmen aber immer mehr ab, je südlicher wir fahren. Von Spaniens Mittelmeerküste sind wir sehr enttäuscht: Grässliche Industriestädte reihen sich dem Meer entlang, die Küstenorte wirken wenig einladend und sind vom Tourismus verschandet.

Südlich von Valencia geben wir die Suche nach einem idyllischen Nachtlager auf und so schaffen wir es kurz vor dem Einnachten auf einen Campingplatz, wo wir auf Deutsch begrüsst und wo uns Bockwürste und Frikadellen angeboten werden. Wir verbringen einen gemütlichen Abend am Meer.

Die Fahrt nach Granada führt uns durchs Landesinnere Spaniens. Plötzlich beginnt uns die Landschaft zu gefallen: Oliven- und Zitrusbäume so weit das Auge reicht! Wir besichtigen die Alhambra in Granada. Es ist schon beeindruckend, was die Mauren geschaffen haben und in welcher kulturellen Armut wir in Europa zu dieser Zeit im Vergleich gelebt haben! Nun hoffen wir, in Mauretanien noch mehr davon zu sehen zu kriegen.

 

Bonjour mes amis!

Freitag, 8. Oktober 2004: Jetzt gilts ernst. Wir passieren die Strasse von Gibraltar mit der Fähre von Algeciras nach Ceuta (spanische Exklave in Marokko). So ein bisschen angespannt sind wir schon, Sämi hat schliesslich schon einschlägige Erfahrungen in Marokko gemacht. Aber Ceuta ist ja noch Spanien.

Gespannt fahren wir zum Grenzposten etwas südlich von Ceuta. Das Prozedere läuft in etwa genau so ab, wie wir es aufgrund unserer Vorbereitungen erwartet haben: Erste aufdringliche Marokkaner, die uns anbieten, die Papiere korrekt auszufüllen, ein Zöllner, der es schafft, nur etwa alle zwei Minuten einen Pass von dem vor ihm liegenden Stapel zu nehmen und abzustempeln und ein Auflauf drängelnder Leute unterschiedlichster Herkunft vor dem Schalter des besagten Zöllners, alle mit der gleichen Absicht, möglichst bald die Zollprozedur bei relativer Hitze hinter sich zu bringen. Nach eineinhalb Stunden haben wirs geschafft und wir dürfen mit unserem Landy in Marokko einfahren. Das Abenteuer Afrika kann beginnen!

Bienvenus au Maroc, mes amis! Diesen Standardspruch hören wir soooooo oft, dass er uns schon bald ziemlich auf die Nerven geht. Zudem wussten wir gar nicht, dass wir hier so viele Freunde haben, die wiederum in Zürich, Genève, Bâle und Estavayer-Le-Lac ihre Freunde und Familie haben…

Unser Ziel ist das Rifgebirge. Bei Tétouan werden wir von einem strahlenden Mofafahrer begrüsst. Wir hätten Glück, genau heute würde in der Medina ein Berbermarkt stattfinden. Nach wenig Abwechslung in Spanien gönnen wir uns also diese Zerstreuung und folgen dem Mofa… Nun, der Mann ist nicht einfach nur freundlich und der Berbermarkt auch nicht nur heute und schon sitzen wir bei einem Teppichhändler mit einem Glas Tee und wir sollten doch einen Teppich auslesen, er würde ihn selbstverständlich kostenlos nach Europa schicken. Freundlich aber mit einem bestimmten «Nein!» verlassen wir den nun nicht mehr so strahlenden Berber in seinem Laden. Danach will uns unser Führer noch in eine Apotheke mit allerlei Wunder wirkenden Mitteln bringen, doch wir können ihn überzeugen, dass wir nun genug gesehen hätten. Zurück beim Landy will er dann auch kein Geld, dafür ein «Souvenir Suisse», sprich Sämis Hemd! Nun ist aber genug mit Liebenswürdigkeiten austauschen, wir drücken ihm für seine Dienstleistung einen Kugelschreiber in die Hand und überhören sein weiteres Begehren nach Schokolade für seine Familie, die mittlerweilen auf vier Kinder und eine Frau angestiegen ist.

Endlich wieder frei, finden wir im Rif einen nicht ganz sauberen, aber dafür einen mit toller Aussicht beschenkten Camping in Chefchaouen. Da können wir schon die ersten Kontakte zu anderen Afrikareisenden knüpfen: Ein Engländer mit seiner Freundin aus Zimbabwe, die auf dem Weg nach Kapstadt sind. Weiter machen wir unsere erste Bekanntschaft mit den ab sofort allgegenwärtigen Stehklos, dessen Benutzung in der Regel eine gehörige Portion Überwindung kostet, dies nicht wegen der Art der Benützung.

In der Nacht beginnt dann der Regen, der uns zwei Tage lang begleitet und uns leicht erstaunen lässt, war doch in Europa das Wetter einiges freundlicher. Tags darauf lassen wir die wunderschöne Gebirgslandschaft an uns vorbeiziehen und gelangen so nach Fès. Das Wetter ist kühl und nass und die geplante Besichtigung der Medina verschieben wir auf ein anderes Mal. Irgendwie kommt bei diesem Wetter nicht so Stimmung auf.

Tags darauf überqueren den Hohen Atlas und dann schliesslich den Antiatlas. Immer wieder sind wir erstaunt über den Kontrast zwischen Stadt und Land: In Stadtnähe ist alles mit Abfall übersäht, während in den Landgebieten die Natur unberührt scheint. Wir begegnen Menschen, die ihre alten Mercedes bis unters Dach füllen und dann noch eine mittlere Schafherde aufs Dach laden und natürlich all die Lastesel, die Stroh und später Datteln transportieren. Der Unterschied zu Europa scheint uns gross.

Am späten Abend treffen wir am Rande der Sahara auf den schönen Campingplatz «source bleu de meski» mitten in einer Oase. Auch hier werden wir freundlich aber zunehmend aufdringlich empfangen. Wir werden ständig zum Tee eingeladen und es ist uns noch nicht gelungen herauszufinden, wann unser Gegenüber ein Geschäft machen will oder wann die Gastfreundschaft im Vordergrund steht. Wir treffen auf weitere Reisende, die zum Teil mit abenteuerlichen Geschichten aufwarten. Bald stellt sich aber heraus, dass wir die einzigen sind, die vor haben, nach Mauretanien zu reisen. Wir werden teilweise für verrückt gehalten. Warum ist uns auch nicht so klar, wir werden das Gefühl aber nicht los, als hören wir da auch ein bisschen Neid heraus, so viel Zeit zu haben und vielleicht sogar ein bisschen mehr Mut zu besitzen als unser Gegenüber. Wie auch immer, wir freuen uns auf die nächsten Ziele.

Am 11. Oktober machen wir uns in den touristischen Südwesten auf. Wir finden einen herrlichen Campingplatz mit Hotel. Da Sämi sich nicht wohl fühlt, organisiert Regi ein Zimmer für die Nacht. Dank der herrlichen Anlage, dem klimatisierten Zimmer (die Temperatur ist mittlerweilen auf über 30° C im Schatten angestiegen) verschwindet Sämis Fieber wieder. Am 12. Oktober umrunden wir den Erg Chebbi. Wir wollen im geschützten Rahmen erste Erfahrungen im Sand sammeln. Nach ersten Navigationsproblemen finden wir endlich die Piste und finden endlich die Sahara! Der Landy bringt seine ersten Sanderfahrungen gut hinter sich!!! Einmal muss er sogar einer Dromedarkarawane, die plötzlich hinter einer Düne hervorkommt, weichen…

Zum Abendessen lassen wir es uns in einem Restaurant gut gehen und geniessen ein marokkanisches Couscous.

Schliesslich machen wir uns am nächsten Morgen auf eine Fahrt quer durch die Sahara auf, wir fahren von Merzouga nach Zagora führt über 240 km der algerischen Grenze entlang durch fantastische Wüstenlandschaften, wie wir sie in Namibia und Australien kaum gesehen haben.

Heftigst durchgeschüttelt und mit viel Wüstenstaub im Hals und auf dem Landy erreichen wir abends Zagora, wo wir von penetranten Mofafahrern aufgehalten werden, deren Dienste aber nicht in Anspruch nehmen. Wir suchen uns selber einen Übernachtungsplatz auf dem Camping in Zagora. Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein, daher ist es uns nicht ganz recht, dass der freundliche Besitzer unseretwegen die gesamte Campingplatzbeleuchtung auf Vordermann bringt und auf die Palmen steigt, damit wir die reifen Datteln kosten können…

Heute geht´s durchs oasenbestückte Draatal atlantikwärts und dann langsam aber sicher in die Westsahara und nach Mauretanien - in shallah.