Toubab

8. – 11. Dezember 2011: Eine lange Reise bis Arusha…

Gleich vorneweg:

Das Reisen in Ostafrika macht meistens Freude – vieles läuft sehr einfach und problemlos. Es ist auch schon zur Selbstverständlichkeit geworden, dass wir an den Checkpoints einfach durchfahren. Das war nicht immer so. Im nördlicheren Afrika mussten wir uns immer wieder teils peniblen Kontrollen unterziehen, während die einheimischen Fahrzeuge die Checkpoints ohne zu bremsen passieren konnten und nun ist es genau umgekehrt: Jetzt machen wir ab und zu die lange Nase…;-))

Wir verlassen Uganda leicht wehmütig: Dieses Land hat uns wirklich sehr gut gefallen! Wir werden die süssen Ananas und Passionsfrüchte, das satte Grün und natürlich die Unmengen an Kochbananen, die das Markt- und Strassenbild Ugandas prägen, in Erinnerung behalten. Einschub: Wir haben uns gegen einen Abstecher nach Ruanda entschieden, und das aus einem einfachen Grund: 50 US$ Visa-Gebühren pro Kopf - einmal mehr. Ruanda ist sehr klein und unterscheidet sich landschaftlich nicht wesentlich von Uganda. Viele besuchen Ruanda nur der Berggorillas wegen. Warum ein Berggorilla-Trek für uns nicht in Frage kommt, haben wir weiter oben ja schon erklärt…

Die Ausreise in Mutukula ist schnell geschafft. Die Einreise auf tansanischer Seite gestaltet sich wider Erwarten mühsamer, und zwar, weil man hier NUR US Dollars als Zahlungsmittel annimmt, nicht einmal in der tansanischen Landeswährung können wir die Visa bezahlen! Eine Bank gibt es auf Tansania-Boden keine, nur eine auf ugandischer Seite. Also muss Sämi illegalerweise nach Uganda zurück und auf der dortigen Bank (wo man ihn aber zum Schwarzhändler schickt!) Geld beschaffen. Natürlich geht das problemlos (kein Hahn kräht nach seinem Pass) – wir sind ja in Afrika…!

Mit einem Visum mehr im Pass setzen wir die Reise entlang von Reisfeldern und Teeplantagen fort und erreichen am Nachmittag Bukoba am Victoriasee. Direkt am See – auf dem Sandstrand – finden wir eine Campingmöglichkeit und geniessen eine prachtvolle Abendstimmung bei Vollmond. Dafür müssen wir uns von neugierigen Besuchern beäugen lassen… Vor allem Olivia und Gian werden beim Spielen im Sand akribisch beobachtet. Aber das stört uns wenig. Wir sind es uns unterdessen recht gewohnt, Blickfang zu sein und begafft zu werden.

Der nächste Morgen zeigt sich in seiner schönsten Pracht: Kalenderfototauglicher Sonnenaufgang über dem See – herrlich! – verbunden mit einem «sauguten» Gefühl, am 9. Dezember am Strand des grössten Sees Afrikas (und zweit grössten Süsswassersees der Erde) zu frühstücken.

Wir verlassen Bukoba, nachdem wir eine SIM-Karte gekauft und eine in unseren Augen ungerechtfertigte Parkbusse entrichtet haben. Gute Asphaltstrasse bringt uns zügig voran. Aber nach ca. 100 km ist alles anders: Die Strasse wird erst gebaut und so müssen wir knapp 40 km über schlechte, ausgefahrene und ausgewaschene Piste holpern resp. kriechen. Am Ende der Baustelle erwartet uns wieder Asphalt, aber mit Schlaglöchern übersät und Sämi ist aufs Neue gefordert… Uns wird schnell klar: Die Strassen Nord-West-Tansanias sind stellenweise nicht besser als die Strassen Nordkenias. Kein Wunder, dass dieses Gebiet Tansanias touristisch (noch) unerschlossen ist. Das erklärt, warum die Leute hier ohne Autos auskommen und den Seeweg wählen, um in den Osten des Landes zu gelangen. Für uns heisst das, die 1100 km bis Arusha in 3 langen und anstrengenden Tagesetappen abzuspulen. Heute kommen wir aber nur bis Ushirombo und müssen uns hier wohl oder übel (der Ort strahlt alles andere als Attraktivität aus!) um einen Übernachtungsplatz kümmern. Wir entdecken an der Hauptstrasse ein Schild, das auf eine katholische Diözese hinweist. Wir fahren also da hin, in der Hoffnung, über Nacht aufgenommen zu werden. Aber die Zufahrt ist für unser Gefährt zu eng und zu niedrig (Bäume!) und die Sisters sind anscheinend zur Zeit recht beschäftigt – zu beschäftigt jedenfalls, als dass wir eine zu Gesicht bekommen. Wir versuchen unser Glück bei einer selbsternannten Lodge (hier nennt sich noch schnell Lodge, was ein Dach hat), die Parkmöglichkeiten hinter Mauern anbietet. Der Besitzer zeigt sich zwar erstaunt, dass wir kein Zimmer belegen wollen und uns mit seinem Parkplatz zufrieden geben. Wir sind wohl die ersten Camper auf seinem Grundstück… Schnell kochen wir noch ein paar Teigwaren und dann legen wir uns früh ins Körbchen. Morgen soll es schliesslich früh weiter gehen.

Die Reise nach Arusha nimmt nochmals zwei ganze Tage in Anspruch (mit Übernachtungshalt in Singida), weil uns zwischen Singida und Babati nochmals 60 km schlechte Strasse beschert wird, die wir mit einem bescheidenen Schnitt von 20 km/h bewältigen. Die Chinesen sind zwar wie wild am Bauen, doch die müssen sich da mitten durch den Dschungel kämpfen (viel Wasser!). Die Busfahrer stört es gar nicht, dass die Strasse nicht gut ist, die fahren trotzdem wie die Henker. So haben wir dann auch zwei Steine in die Windschutzscheibe gekriegt. Nur kleine Einschläge, wir hoffen, dass es keine Spannungen gibt und ein Spinnennetz entsteht. Ja, die Busfahrer sind die wohl grösste Gefahr, die uns hierzulande droht. (Und nicht etwa die Giftschlangen, wie man meinen könnte. Bis auf zwei überfahrene Pythons und ein Schlängchen in der Grösse eines gut genährten Regenwurmes haben wir noch keinerlei beinlose Viecher zu Gesicht bekommen…) Unter Drogen- und/oder Alkoholeinfluss bewältigen die Busfahrer mit ihren angeschlagenen Bussen nonstop riesige Distanzen und tragen die Verantwortung über ihre hilflos ausgelieferten Passagiere. Sonst haben sie hier in Afrika immer für alles viiiiel Zeit (nach unserem Geschmack manchmal zu viel). Aber beim Busfahren müssen sie sich offensichtlich beeilen. Um nachher wieder genug Zeit fürs Nichtstun zu haben?? Wir bemitleiden jedenfalls all die vielen Menschen, für die es schlichtweg keine andere Möglichkeit gibt, von A nach B zu gelangen und sind dankbar, dass wir uns diesem Schicksal nie fügen müssen, weil wir besser bemittelt sind.

So schlecht die Strassen, so schön die Landschaft: Wir fahren einmal mehr durchs Rift Valley und können erloschene Vulkane und Kraterseen ausfindig machen, bevor wir die weiten Ebenen der Serengeti queren und ins Land des Massai-Volkes eintauchen, dem stolzen Kriegervolk, deren rot-karierte traditionellen Umhänge schon von Weitem erkennbar sind und im Abendlicht ein sehr schönes Bild abgeben.

Zur Zeit herrscht in diesem Gebiet Mangoernte: Die Märkte werden dominiert von der süssen Frucht! Riesige Karren an Mangos werden angeschleppt – meist von blosser Menschenkraft!

 

11. – 16. Dezember 2011: Arusha

In Arusha landen wir auf einem Campingplatz, der zwar gross, aber auch etwas laut ist. Sauber ist er auch nicht gerade und hat seine besten Tage offenbar schon hinter sich. Ein afrikanisches Hochzeitsfest ist bei unserer Ankunft gerade noch im Gang, was sehr amüsant ist: Laute Musik, DJ, Theaterbestuhlung und auf der «Bühne» das Hochzeitspaar, so wird gegessen. In der Nacht dann die Hunde, welche gerade neben uns mit sämtlichen Nachbarn kommunizieren. Wir schlafen entsprechend…

Arusha ist eine Touristenstadt mit ca. 200 Safariunternehmen. Wir können im Shoppingcenter unsere Vorräte wieder aufstocken, die wir auf der Strecke von Bukoba nach Arusha verbraucht haben.

Wir haben in Uganda von anderen Reisenden gehört, dass in Arusha ein Deutscher eine Werkstatt hat. Da gehen wir am Dienstag hin. Manfred empfängt uns freundlich und wir kriegten für den Mittwoch einen Termin. Er will dann noch wissen, woher wir kommen. Winterthur. Winterthur? Ist das nicht in der Nähe von Andelfingen? Da hätten sie nämlich Freunde. Die Freunde sind die Herausgeber der «Andelfinger Zeitung», die Sämi natürlich kennt. So ein Zufall! Manfred meint, wir sollen doch den Camping verlassen, da sei es nur laut, und zu seiner Familie kommen, sie hätten genug Platz. Dieses Angebot nehmen wir gerne an. Aber vorher folgen wir noch einer anderen Einladung: Ein Kunde von Manfred, Osi, gesellt sich uns. Osi ist ebenfalls Deutscher, seine Frau arbeitet für die East African Community. Seit eineinhalb Jahren lebt seine Familie in Arusha. Er lädt uns spontan zu sich ein, er hätte zwei Kinder im Alter von Olivia und Gian. So fahren wir also zu Osi und lernen Linus und Luisa kennen. Luisa ist ein Tag jünger als Olivia und Linus würde am Donnerstag vier werden. Olivia stellt mit Erstaunen fest, dass diese Kinder ja Muzungus (Suaheli für Weisse) und keine Schwarzen sind… So gewöhnt ist sie schon an die andersfarbigen Kinder! Die Zeit vergeht schnell und schon bald müssen wir los, um uns ums Nachtessen zu kümmern. Beim Tschüss-Sagen werden wir dann für den Donnerstag zu Linus’ Geburtstagsfest eingeladen. Auch diese Einladung nehmen wir sehr gerne an! Am nächsten Morgen machen wir uns früh los, um den Iveco zur Kontrolle zu bringen. Spontan werden wir von Manfred zum Mittagessen eingeladen. Zudem überreicht er Sämi einen Stapel «Andelfinger Zeitungen». Nun wissen wir also wieder, was in Andelfingen los ist! Wir fahren am Mittag mit Manfred nach Hause und staunen nicht schlecht, als wir vor seinem Haus die Schweizer Flagge entdecken, die uns zu Ehren gehisst wurde! Wir bleiben nach dem feinen Mittagessen gleich bei Maria (Manfreds Frau), sie ist Kindergärtnerin und beschäftigt sich sofort mit Olivia und Gian. Sie backt mit ihnen Weihnachtsguetzli, erzählt Weihnachtsgeschichten und bastelt mit ihnen und hat den beiden sogar einen verspäteten Samichlaus-Gruss in Gestalt eines Chlaussäckchens bestellt. Schon wieder eine Ersatzgrossmutter…?

Und Sämi und ich haben mit Margit eine äusserst interessante Gesprächspartnerin gefunden: Margit ist eine Wienerin (mit entsprechend schönem Deutsch) gesetzteren Alters, fährt einen 30jährigen Landy (fast das gleiche Modell, wie wir es einst hatten!) und ist (wenn nicht mit Axel) alleine unterwegs in Afrika. Eine tolle Frau mit einem riesigen Rucksack an Afrika-Reiseerfahrungen! Später kommen noch Marc und Sonia hinzu. Sie haben ihren Mercedes G seit einiger Zeit in Ostafrika und fliegen immer wieder für Ferien ein. Das Auto lassen sie stehen – dieses Mal bei Manfred und Maria. Sie fliegen noch am Samstag nach Deutschland zurück und haben in ihrem Koffer noch Platz für ein Paket mit ein paar Weihnachtsgeschenken für unsere Göttikinder und engsten Familienmitglieder, welches sie in die Schweiz weiterleiten werden. Wir sind SEHR dankbar über diesen Gefallen!! Und wir sind dankbar, Manfred, Maria und die eine Tochter Sophie-Dorothée kennen gelernt zu haben! Wir hoffen auf ein Wiedersehen in der Schweiz, wenn sie zu Besuch in Andelfingen sind.

 

Der Iveco ist gut im Schuss, das erfahren wir am Abend. Für die Kontrolle der Bremsen, Ölwechsel, Filter wechseln, Service bezahlen wir gerade mal Fr. 150.-, das ist nicht viel. Am Donnerstag gehen wir dann zur Geburtstagsparty von Linus. Wir werden von Osi und seiner Frau Miriam und all ihren Freunden sehr sympathisch aufgenommen. Die Kinder finden sofort Anschluss und amüsieren sich glänzend. Sie können Spiele mitmachen, tanzen, lachen. Kurz, eine super Sache! Von zwei Familien bekommen wir ein Angebot: Wir könnten über die Festtage ihr Haus haben, sie würden wegfahren. Einfach so. Wir kennen die ja gar nicht. Und plötzlich können wir es uns vorstellen, eine gewisse Zeit so zu leben wie die. Aber eben: Wir fahren dann doch weiter. Der Drang, möglichst bald Meeresluft zu schnuppern, ist zu gross…

16. -17. Dezember 2011: Schnee in der Höhe und 35 °C am Meer!

Wir verlassen Arusha, wo wir uns für eine knappe Woche wie Zuhause und unter den besten Freunden gefühlt haben. Wir hatten extrem schöne und wertvolle Begegnungen in dieser Stadt – und alle rein zufällig! Unser Ziel ist also der Indische Ozean. Aber zuerst erwartet uns noch ein weiteres geografisches Highlight unserer Reise (Highlight im wahrsten Sinnes des Wortes): Der Mount Kilimanjaro – mit fast 6000 m.ü.M. der höchste Berg Afrikas. Nicht dass wir eine Besteigung vorgesehen haben (Kinder zu jung, Reisebudget zu schmal, Wanderschuhe in der Schweiz gelassen, keine Lust auf Massentourismus). Aber sehen möchten wir diesen Hoger ja schon gerne. Jedoch sämtliche neuen Freunde in Arusha haben uns wenig bis gar keine Chance gegeben, dass zu dieser Jahreszeit (immer noch Regenzeit, dieses Jahr eben verzögert) der Kili hinter den dichten Wolken hervorschauen würde. Am ehesten früh morgens! Nun: Wir fahren mal bis nach Moshi und hoffen auf unser Glück. In Moshi finden wir dank GPS die sehr schöne «Honey Badger Lodge». Wir schreiben den 16. Dezember 2011 und erfrischen uns im Pool am Fusse des Kilimanjaro, duschen unter Bananenstauden (an dieser Stelle ein besonderer Gruss an Johnny!!!) und geniessen – wie soll’s auch anders sein – ein kühles Kilimanjaro-Bier. Während wir im Pool unsere Längen schwimmen und Olivia und Gian um die Wette spritzen, lockert sich doch tatsächlich das dicke Wolkenpaket über dem Kili und der schneebedeckte Gipfel guckt hervor! Was uns Erwachsenen eine grosse Freude ist, lässt unsere Kinder absolut kühl. Die interessieren sich hundertmal mehr für den Pool und für ihre Spielzeugautos, die auch auf diesem Platz sofort zum Einsatz kommen. Ja, so hat jeder seine Prioritäten auf dieser Reise…?

Meine von Kilimanjaro-Träumen dominierte Nacht endet um 5.30 Uhr: Der Wecker holt mich aus dem Schlaf. Der Verzicht aufs Ausschlafen zahlt sich sofort aus: Der höchste Berg Afrikas hat sich über Nacht gänzlich von den Wolken befreit und präsentiert sich uns in seiner ganzen Gestalt und im schönsten Morgenlicht! Wir sind beglückt und gleichzeitig ein bisschen enttäuscht: Beglückt, dass wir den Berg sehen können (und das erst noch im Morgenrot), enttäuscht, weil wir uns den Berg viiieeel grösser vorgestellt haben. Wir können es kaum glauben, dass dieses Stück Felsen gegen 6000 Meter auf dem Zähler hat. Dennoch: Freude herrscht alleweil und erst recht, als wir das Camp verlassen und – keine 100 Meter gefahren – zwei Landys entdecken. «Das sind Overlander», meint Sämi. Keine drei Sekunden später entdecken wir einen CH-Aufkleber und ich füge an: «Es sind Schweizer!» Tatsächlich! Vor schönster Kulisse treffen wir also die allerersten Schweizer, seit wir unterwegs sind: Drei Freiburger «Giele», während ca. 4 Monaten unterwegs von Durban in die Schweiz. Natürlich muss in kürzester Zeit so viel wie möglich ausgetauscht werden. Wir können ein paar Äthiopien- und Sudan-Tipps abgeben und sie wiederum klären uns über die Strassenverhältnisse im Norden von Moçambique auf, worauf unser Entscheid, die weitere Reiseroute doch NICHT über Moçambique zu planen, schon fast gefällt ist.

 

Die Fahrt zum Meer erfolgt unspektakulär. Wir lassen die prächtige Landschaft an uns vorbeiziehen (begleitet von Olivia’s Lieblings-CD, die sie von ihrer Winterthurer Nachbarin Lisa geschenkt bekommen hat) und müssen uns nur ab und zu über die hirnlosen Busfahrer aufregen, die uns in einem Affentempo überholen oder kreuzen. Gian macht es einmal mehr gut: Er schläft eine ganze Weile und tankt Energie fürs Bad im Meer, das auf uns wartet und zwar zwischen Tanga und Pangani auf dem Campingplatz des Peponi Resorts, das seinem Namen alle Ehre macht. Peponi heisst nämlich Paradies und das passt in unseren Augen absolut: Weisser Sandstrand, Kokospalmen und Boababs, blaues Meer mit Fischerbooten… Im einfachen, aber sauber und schön gehaltenen Peponi wollen wir Strandferien einlegen. Wir bekommen den schönsten Platz direkt am Strand vorne! In den nächsten Tagen werden einige Feriengäste aus Tansania ankommen. Gut, dass wir eine Woche vor Weihnachten gekommen sind. Sonst hätten wir womöglich keinen Platz mehr bekommen – und schon gar nicht an dieser Lage.

Ja, wir haben uns den weiten Weg hierher manchmal ein bisschen verdienen müssen – aber jetzt müssen wir feststellen: Es hat sich 100%ig gelohnt!!!

 

17. - 26. Dezember 2011: Peponi – the paradise isn’t far...

Bei heissen Temperaturen kommen nicht wirklich weihnächtliche Gefühle auf. Nur das Lametta an den Säulen beim Restaurant-Eingang erinnern uns daran, dass Weihnachten vor der Türe steht. Wir bereiten uns für einmal nicht mit Adventskranz, Guetsli und Päckli einpacken auf Weihnachten vor, sondern geniessen das Bad im warmen Meer (oder Pool mit Meerblick), exotische Speisen, das Joggen resp. Velo fahren dem Strand entlang, Lesen, Boccia spielen, Muscheln suchen, Krebse und Krabben beobachten und einfangen (und natürlich schnell wieder in die Freiheit entlassen!), … Wir haben im Moment eigentlich nur ein Problem: Nämlich, dass wir hier irgendwann wieder weg müssen. Ja, jetzt denkt wohl manch einer unter euch Lesern «Solche Probleme möchte ich auch haben...» Natürlich hatten und haben wir auch unsere grossen und kleinen Alltagsprobleme. Ein Beispiel wären da die Flöhe, die wir seit Äthiopien mitführen. Wir wissen nicht, wie wir diese unerwünschten «Haustiere» eingefangen haben. Tatsache ist, dass vor allem Sämi und ich total verbissen wurden – die Kinder zum Glück nicht! Wir haben schon alle möglichen Mittel zur Bekämpfung dieser unerwünschten Passagiere eingesetzt. Leider hat auch die Chemie noch nicht die erwartete Wirkung gebracht. Aber wir bleiben optimistisch und hoffen, mit konsequentem Sprühen von Insektenkiller und mit regelmässigem Waschen dieser Plage endgültig Herr zu werden. Flohbisse beissen tagelang und erfordern sehr viel Disziplin, dass man sich nicht (andauernd) kratzt (besonders nachts ist das ein Problem!) und machen einem auf Dauer ganz «narrisch» bis aggressiv, was eine gereizte Familien-Stimmung zur Folge hat und wiederum auf die Reisemoral drückt…

Die kleine Regenzeit ist immer noch nicht vorüber – das macht sich mit mehrheitlich nächtlichen Schauerregen bemerkbar. In der Nacht vom 20. Auf den 21. Dezember regnet es besonders stark – 71 mm. In Dar es Salaam aber noch deutlich heftiger: Sintflutartige Regen überschwemmen die halbe Stadt, spülen Brücken und Autos weg und einige Menschen ertrinken. Zum Glück sind wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Dar! Wir bleiben für einmal trocken– yes! – aber gut schlafen können wir trotzdem nicht, denn wir müssen alle Fenster schliessen (der Regen ist wirklich mega heftig) und so entsteht im Innern unserer Schildkröte im Nu Treibhaus-Charakter.

Weihnachten verbringen wir also im Peponi. Hier organisieren wir unser Familien-Weihnachtsgeschenk: Einen Ausflug auf Zansibar. Anstatt irgendwelchen Plastik-Ramsch in einem an Spielwaren schlecht ausstaffierten Supermarkt zu kaufen, leisten wir uns vier Tage «Ferien von den Ferien» auf der Insel mit dem wunderbaren Namen und wollen uns vergewissern, ob da die Strände tatsächlich noch schöner sind, als wir sie hier schon angetroffen haben.

Ach ja, noch etwas Besonderes: Olivia hat im Peponi-Pool selber schwimmen gelernt. Tagtäglich übt sie, dabei einige Deziliter Wasser schluckend und allmählich ihren eigenen Schwimmstil entwickelnd…;-)

 

26. Dezember 2011 – Neujahr: Dar es Salaam

Am 26. Dezember drehen wir braun gebrannt, für einmal nicht mit der «Weihnachtsgans» überessen und weitgehend erholt (auch «Reise-Kater» müssen kuriert werden… wen wohl hat’s erwischt??) diesem schönen Platz am Indischen Ozean den Rücken. Die Gewissheit, dass wir weiter südlich wieder am Meer stehen werden, macht den Abschied etwas leichter. Aber die Fahrt bis Bagamoyo muss einmal mehr verdient sein: Zum einen, weil wir dafür eine lange Etappe (360 km) bestreiten müssen und das bei schweisstreibenden Temperaturen und zum anderen – rate mal... – genau: wegen schlechter Strassen. Tansania kennt entweder gute Teerstrassen (vielleicht ab und zu mit einem Schlagloch gespickt) oder stark ausgefahrene und ausgewaschene Pisten, etwas zwischendrin gibt’s nicht – so zumindest unsere Erfahrung. Wir rollen zuerst über gute Asphaltstrassen und quälen uns im letzten Abschnitt noch für etwa 50 km über Stock und Stein und brauchen für dieses kurze Teilstück über vier Stunden. Bagamoyo erreichen wir leider erst kurz vor Sonnenuntergang und mit dem geplanten Bad im Meer wir heute nichts mehr… Dafür muss Sämi noch ins Holz, bevor wir unseren definitiven Stellplatz auf der Traveller’s Lodge beziehen können. Und das kommt so: Wir fahren auf den Parkplatz vor der Lodge und erkundigen uns nach dem Camping. Ein sehr schmaler Pfad führt unter niedrigen Bäumen zur Campingwiese. Da kommen wir mit der Schildkröte nicht durch (sie ist zu breit und zu hoch). In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und knurrender Mägen schlagen wir dem Chef vor, dass wir auf dem Parkplatz stehen (ist ja nur für eine Nacht).

«No, that’s not possible!»

«Why not? We will pay the camping fee.»

«No, you must drive down to the campground. This is a parking for restaurant guests only.»

«But our truck is too big. We would have to cut some trees…»

«No, no. Just drive down, no problem.»

Dann ruft er einen Angestellten herbei und erklärt diesem in Swahili, er solle mit uns kommen und dafür sorgen, dass wir runter fahren, OHNE jegliche Äste oder Bäume abzuhacken. Wir sind müde, verschwitzt und sauer (gute Kombination!). Sämi fährt los und schon nach wenigen Metern hängen wir an einer Palme fest. Drei zur Hilfe geeilte Gärtner wollen die Palme zur Seite drücken. Sämi holt unsere Machete aus dem Auto und befiehlt den Typen, schnell auf die andere Seite zu stehen oder die Augen zu verschliessen… Diese aber haben unser Problem erkannt und legen gleich selbst Hand an, indem sie die Machete packen und Sämi das Abholzen und die Verantwortung dafür abnehmen. Das ist wieder einmal eine Geschichte, die wir unter «typisch Afrika – nicht alles entspricht unserer Logik» ad acta legen werden…

Es ist natürlich schon dunkel, bis wir ENDLICH auf der Campingwiese stehen und der Hunger ist auch nicht kleiner geworden. Eigentlich wollten wir uns ein Nachtessen im Lodge-Restaurant gönnen, aber über das eben Erlebte entscheiden wir uns wieder einmal für «Spaghetti alla tartaruga» und legen uns bald in die Betten. Eine tüppige Nacht mit ungebetenen stechenden Gästen raubt den einen den Schlaf und ich schwöre mir in dieser Nacht, noch am nächsten Tag in Dar es Salaam nach einem Ventilator Ausschau zu halten. Sämi schwört sich neben mir stillschweigend dasselbe, wie sich Stunden später im Supermarkt herausstellen wird.

Wir wollen am nächsten Morgen zeitig los nach Dar es Salaam, aber vorher holen Olivia und ich noch das Bad im Meer vom Vorabend nach. Um 7.15 Uhr bereits (!) liegen wir im warmen Wasser, geniessen die herrliche Morgenstimmung und beobachten, wie die Fischer ihre Fänge an Land ziehen. Wie toll wir’s doch haben!!! Der Frust von gestern Abend ist weggespült…

Wir erreichen bald Dar es Salaam – den «Hafen des Friedens» - (Tansanias grösste und wichtigste Stadt, nicht aber die Hauptstadt, wie viele meinen) und stehen wieder mal im für afrikanische Städte obligaten Stau. Aber es ist nur halb so wild (Einstellungssache???) und dank GPS finden wir das nächste Einkaufszentrum schnell und ohne Umwege. Aber das «Shoppers Plaza» hält nicht ganz, was der Name versprechen mag: Es fristet ein trostloses Dasein, wir treffen hier auf dubiose Bekleidungsgeschäfte und getarnte Nachtklubs, bevor wir uns in den Supermarket stürzen, weil wir dringend Vorräte auffüllen müssen. Wir finden ein grosses Sortiment vor und verfallen dem Kaufrausch. Dennoch lohnt sich genaueres Hinsehen, bevor man das «Postiwägeli» füllt, denn die Preise sind zum Teil saftig (1 kg Risotto kostet 8 Euro, von Schokolade ist nicht zu sprechen!) oder die Produkte sind bereits verfallen. So nimmt das Einkaufen einmal mehr viel Zeit in Anspruch – Olivia und Gian lassen das Ganze aber gut über sich ergehen. Das mag an den «Kinder-Postiwägeli» liegen. Wir bunkern also Lebensmittel, wie wenn der Krieg bevorstünde und fragen uns schon ein bisschen über uns selber. Aber wenn man in Afrika schon mal einen Supermarkt findet, dann schlägt man besser zu, auch wenn dieser Laden nicht der beste von Dar ist (was wir zum jetzigen Zeitpunkt ja noch nicht wissen können). Aber immerhin finden wir einen kleinen Ventilator und werden ab sofort etwas angenehmere Nächte haben! Und es gibt Backhefe: Wir werden weiterhin unser Frühstück mit hausgemachtem Brot bereichern können und müssen nicht immer Toast knabbern.

Jetzt soll es aber weitergehen, denn wir wollen durch die Stadt zum Hafen, um mit der Fähre in den südlichen Stadtteil Kigamboni zu gelangen, wo wir einen Campingplatz in Aussicht haben. Wir fahren also zum Hafen und stehen bald in der Autoschlange vor der Anlegestelle und wimmeln die vielen fliegenden Händler ab. Ein Schild weist darauf hin, dass die maximal zugelassene Höhe 4 m ist. Interessiert uns nicht, unsere Schildkröte misst weniger! An der Zahlstelle angelangt, lächelt uns die uniformierte Dame an der Schranke nett an und sagt «no ticket». Unsere erste Freude, dass wir gratis rüber dürfen, wird natürlich schnell getrübt – wir sind ja in Afrika, da kann nicht alles so einfach gehen: Wir seien zu schwer für die Fähre. Nur bis 3 Tonnen sind zugelassen. Und der Bus hinter uns??? Der wiegt eben weniger als 3 Tonnen – in shallah… Sämi ist schon lange aus dem Auto ausgestiegen und diskutiert heftig mit dem Schalterbeamten und hält fest, dass KEIN Schild auf eine Gewichtsbeschränkung hinweist. «Sorry brother!» Und jetzt? Wir können nicht retour, also müssen wir in der Kolonne bleiben und dann vorne am Pier eine Spitzkehre machen (ist ja kein Problem mit unserem wendigen Vehikel), den Hafen wieder verlassen und auf grossem Umweg (40km statt 3km) nach Kigamboni fahren. Wir können es nicht fassen, denn wir wissen von anderen Trucks, die die Fähre genommen haben, aber was sollen wir machen?

So nehmen wir die Umfahrung halt auf uns, verlieren nochmals viel Zeit und erreichen das Mikadi Beach Camp erst am Abend. Jenu! Wenigstens werden wir mit einem schönen Platz direkt am Palmenstrand (weisser, feiner Sand) belohnt. Hier erklärt man uns auch, dass seit einem Monat keine Trucks mehr auf die Fähre gelassen werden, weil die Rampe angeblich defekt sei… Mit einer Reparatur lässt man sich aber viel Zeit – à l’africaine.

Einmal hier angekommen, geniessen wir erneut einen schönen Platz am Meer und sehr nah an der Stadt, so dass wir problemlos mit dem Tuctuc auf Shopping- und andere Touren gehen können – ein lohnenswertes Abenteuer: Vorbei an stinkenden Autokolonnen, über holprige schmale Strassen durch allerhand Quartiere und natürlich auf die gut besetzte Kigamboni-Fähre, wo wir mitten in den vielen Pendlern und Händlern stehen, links von uns eine Schubkarre mit einem Schwertfisch, der zum Fischmarkt muss, rechts eine Mangoverkäuferin mit schätzungsweise 20 kg Fruchtlast auf dem Kopf und nochmals 10 kg im Eimer an der Hand.

Im Mikadi Beach Camp gibt es auch einen Pool und das ist für unsere Kinder ein grosses Plus: Olivia kann ihr Schwimmtraining fortsetzen und Gian die neue Luftmatratze testen.

Silvester feiern wir im kleinen familiären Rahmen mit Barbecue (leider haben wir wieder einmal superzähes Fleisch erwischt und so endet das Jahr 2011 nicht gerade mit einem kulinarischen Highlight), tansanischer Tanzvorführung und Gin Tonic für 2 Franken (da leistet man sich ohne zu Zögern noch einen zweiten…).

Der erste Tag im 2012 beginnt für uns mit einem «Brunch» mit Ei und einem Schwumm im Pool. Über Skype können wir unseren Familien zu Hause ein gutes neues Jahr wünschen und hören von den grossen Schneemengen, die dieser Tage in den Alpen gefallen sind. Fast unvorstellbar für uns, denn Sämi hat sich auf dem heissen Lastwagendach soeben die Füsse verbrannt!!

Heute empfangen wir unseren lang ersehnten Besuch, Heidi und Bado kommen zur Mikadi Beach und wir verbringen ein paar gemeinsame Ferientage hier. Der Gesprächsstoff wird uns bestimmt nicht ausgehen! Es ist so schön, Besuch aus der Heimat zu haben!!! Und Olivia und Gian freuen sich natürlich riesig über die mitgebrachten Geschenke, Sämi über die Ersatzteile, die unseren Wohnkomfort in der Schildkröte noch weiter verbessern sollen und ich über die Schweizer Tageszeitungen aus dem Flugzeug!!!!

Am 7. Januar setzen wir dann nach Zansibar über, wo wir etwa 4 Tage verbringen werden. Nachher ist dann für ein Weilchen fertig mit Baden im Meer. Unsere weitere Route wird westwärts nach Malawi und/oder Zambia führen und dann nach Namibia, unser Hauptziel dieser Reise. Hoffentlich werden wir euch Leser in gut einem Monat Neuigkeiten aus Namibia übermitteln können. In diesem Sinne: Kwaheri!