Toubab

15. September 2011: Überfahrt nach Ägypten

Gestärkt von ein paar Tagen Nichtstun (fast nichts - Haushaltarbeiten müssen natürlich auch an lazy days sein) verlassen wir heute morgen Aqaba und machen uns auf zum Fährhafen. Vorher müssen wir uns aber noch bei unseren liebenswürdigen Gastgebern im Bedouin Moon Village in Aqaba verabschieden und Erinnerungsfotos knipsen. Wir erstehen Tickets für die «fast ferry», welche am Nachmittag fährt. Die unwesentlich teurere «slow ferry» fährt mitten in der Nacht.

Mit Olivia und Gian morgens um 4 Uhr in Ägypten ankommen und die ganze Einreise bewältigen – lieber nicht!

So entern wir also nach getaner Ausreise aus Jordanien (alles freundlich und korrekt, nur die 5 Dinar «Strafgebühr» - weil die Autoversicherung offenbar verfallen ist - können wir nicht ganz nachvollziehen). Aber wegen umgerechnet 5 Euro machen wir keinen Kopfstand! Gewöhnt an das heisse Klima am roten Meer besteigen wir entsprechend leicht bekleidet die Fähre. Der freundliche Platzanweiser macht uns weissen Touris die besten Plätze frei – und das sind natürlich die kühlsten. Bald frieren wir so fest, dass die Lust auf kühles Coca Cola schnell vergeht. Stattdessen wärmen wir unsere Finger an den Hamburgern, die wir mit den letzten Dinars noch kaufen können und ich suche mir einen wärmeren Platz zwischen schlafenden Grossmüttern, weinenden Kleinkindern und betenden Männer mit gewöhnungsbedürftigen Ausdünstungen.

Bald ist die Überfahrt geschafft, erstes Geld zu schlechtem Kurs gewechselt und wir können mit unserer Schildkröte ägyptischen Boden befahren. Nun sind wir aber gespannt, wie die Einreise wird! Schliesslich haben wir uns auf eine lange und mühsame Einreise gefasst gemacht. Von anderen hören wir, dass die Einreise vier bis sechs Stunden. Aber es kommt anders: Wir werden von einem Officer der Tourist Police mit dem Motorrad aus dem Hafen an einen schattigen Platz geführt und dann geht es einfach nur schnell: Der Officer sagt uns, was wir benötigen und während ich mit den Kindern im Auto warte und mich mental schon auf eine lange und mühsame Warterei einstelle, wird Sämi vom Officer von Schalter zu Schalter begleitet und ich staune nicht schlecht, als er nach nur 35 Minuten wieder hier steht und behauptet, dass alles gemacht wäre und wir die Einreise geschafft hätten. Immerhin müssen wir ein ägyptisches Nummernschild, eine Versicherung und einen Führerschein lösen. Aber das halten wir alles in unseren Händen und gekostet hat es auch nicht so viel, wie wir zuvor in Erfahrung gebracht haben. Kommt jetzt noch die hohle Bakschisch-Hand? Nein, auch nicht. Wow! Ist das das neue Ägypten? Wir werden es sehen… Alle anderen Overlander, die wir später in Ägypten antreffen, beneiden uns um diese problemlose Einreise. Sie haben angeblich die Einreise als enorm mühsame und zeitraubende Prozedur erlebt!

 

Euphorisch fahren wir nach Nuweiba und füllen da zuerst unseren Dieseltank. 20 Rappen für einen Liter Diesel – da erhöht sich doch gleich die Frequenzen unser Reiseherzen! Nördlich von Nuweiba steuern wir ein an einer einsamen Bucht gelegenes Camp an. Der Platz am tiefblauen Meer ist sooooo schön, dass eine innerfamiliäre Diskussion, ob wir zwei Tage bleiben sollen, hinfällig ist. Aber der schönste Platz am Meer muss verdient sein: Tiefsandige Passagen setzen der Schildkröte sehr zu, zu sehr. Und so kommen die Sandbleche ein erstes Mal zum Einsatz. Immer noch von der mühelosen Einreise gut gelaunt, lassen wir uns von dieser «Sandarbeit» nicht entmutigen und – wie sollte es auch anders sein, pünktlich zum Sonnenuntergang über den roten Bergen des Sinai ist unser Nachtlager erreicht und das Feierabendbier muss nicht mehr länger auf sich warten lassen.

16.-19. September: Sinai

Wir geniessen das rote Meer bei Nuweiba und vor allem das Riff, das wir «zu Fuss» in Ufernähe erreichen können. Unsere Olivia hat im Pool von Aqaba fleissig schnorcheln geübt und nun taucht sie ab in die Unterwasserwelt des roten Meeres und es macht uns riesige Freude, mit ihr die grossen und kleinen bunten Fische, Korallen und Muscheln zu beobachten. Unsere sonst so zappelige Tochter ist auf dem Wasser ganz entspannt und lässt sich vom Meer treiben – ganz entspannt und locker, wie sie sonst nur im Tiefschlaf ist. Schön! Und ihre Geduld unter Wasser wird sogar mit einem Rochen und einem Feuerfisch aus nächster Nähe belohnt.

Im Wissen, dass das nicht der letzte Abschied vom roten Meer ist, machen wir uns nur halbschweren Herzens auf zur Querung der Sinai-Halbinsel, dem biblischen Hoheitsgebiet sondergleichen.

Erstes Ziel ist das St. Katharinenkloster am Fusse des knapp 2300 Meter hohen Mosesberges, wo Moses die Gebotstafeln empfangen haben soll. Die schöne Fahrt ins hohe Sinaigebirge wird vom einen oder anderen Militärcheckpoint getrübt. Wir müssen immer wieder X Fragen beantworten, die Pässe und einmal sogar das Fahrzeug zeigen. Man tritt uns hier sehr kritisch gegenüber. Angeblich – so erfahren wir später – hat das mit dem neuesten Konflikt mit Israel zu tun. Man traut den Israeli nicht über den Weg, mag sie nicht besonders (sanft ausgedrückt). Wir könnten ja «getarnte» Israelis sein.

Das St. Katharinenkloster hat seine Tore für Besucher heute leider geschlossen, aber eine Aussenbesichtigung tut es für einmal auch. Wir suchen uns frühzeitig ein Nachtlager am Fusse des Katharinenberges und geniessen nach einem Spielnachmittag und einem einfachen, aber feinen Nachtessen eine angenehm kühle Nacht auf ca. 1600 m.ü.M.

Am nächsten Morgen stehen wir – wie eigentlich immer – früh (6 Uhr) auf. Der Morgen ist die schönste und angenehmste Tageszeit und abends wird es so früh dunkel (nach 18 Uhr). Da lohnt es sich, wenn man den Rhythmus nach der Sonne richtet. Heute ist ein besonderer Tag: Olivia verliert ihren ersten Milchzahn! Und wenn die Zahnfee auch in Ägypten unterwegs ist, wird Olivia etwas unter ihrem Kopfkissen finden. Sie ist ganz schön aufgeregt.

Wir fahren durch ein riesiges Wadi quer über die Sinai-Insel und versuchen uns vorzustellen, wie das wohl aussieht, wenn es plötzlich sintflutartig regnet und entsprechend viel Wasser durch dieses Flusstal strömt und ganze Strassen und Bäume wegspült.

Wir gelangen zur Westseite des Sinai und müssen feststellen, dass das rote Meer (Golf von Suez) hier nicht annähernd den Reiz der Ostseite (Golf von Aqaba) hat. Eine Ölraffinerie reiht sich hier an die nächste und an ein Bad im Meer ist nicht zu denken.

Undenkbar ist für uns genauso, dass hier Rohöl auf der Brücke der ältesten und löchrigsten Lastern und in offenen Fässern auf Pickups transportiert wird und die Strasse mit pizzagrossen Rohölklumpen übersät wird. Bevor wir das richtig realisieren, haben wir schon ein paar dieser zähflüssigen Klumpen überfahren und unser Lastwagen ist überall bis fast aufs Dach verspritzt von dieser schwarzen Masse. Was für eine Schweinerei!!! Abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wie wir wieder aussteigen sollen, ohne Kleider und Finger mit dieser klebrigen und kaum abwaschbaren Sosse zu verschmieren, stellen wir uns da ein paar «umwelttechnische» Fragen… Und wir sind saumässig wütend!

Ich sehe uns schon eine Nachtschicht mit Putzen (aber womit überhaupt??? Wir haben nur gerade einen Liter Petrol) einlegen, da entdecken wir eine Autowäsche am Strassenrand. Ohne zu Zögern geben wir dem Mann im dieselverschmierten Overall und Fingern, die er zu Lebzeiten wohl nie mehr vom Öl befreien kann, die Wäsche unserer Schildkröte in Auftrag. Sofort macht sich der Mann ans Werk: Mit dem Mund saugt er Diesel aus unserem Tank an, spuckt den «Überschuss» wieder aus wie andere Wasser und füllt etwa 20 Liter Diesel in einen Eimer und schmiert das Auto damit ein. Mit Diesel und einer Bürste (natürlich ohne Handschuhe) schrubbt er die Trittbretter, die Türfallen, den Gaskasten, den Tank, die Radkästen, die Kabine bis und mit Fenster und befreit unsere Schildkröte von dieser grauenvollen Ware. Die 100 Pfund (ca. 14 Franken) bezahlen wir gerne, wir verhandeln nicht mal über den Preis. Wir hätten weder die Mittel, geschweige denn die Nerven gehabt, diese Sch...Arbeit zu machen! Der Ärger ist wieder weg. Ein stechender Dieselgeruch im Auto wird uns aber noch ein Weilchen an den heutigen Tag erinnern…

Eigentlich wollten wir heute noch den Suezkanal unterqueren und in Suez einen Nachtplatz finden (denn die Sehnsucht, ENDLICH auf afrikanischem Boden zu sein, ist unterdessen auf sehr hoch angewachsen), aber dieser ölige Zwischenfall scheint dieses Ziel zu verhindern. Bei der Mosesquelle machen wir kurz Halt am Strassenrand, um über die Bücher resp. über die Karte zu gehen. Und schon stehen zwei Soldaten da und fragen nach unserem Ziel. Suez sei von Unruhen geplagt, da sollen wir keinesfalls hin, aber sie würden ihren Captain fragen, ob wir auf ihrer Basis über Nacht stehen dürften. Nach kurzem Telefonat (Handy sei Dank!) werden wir zu besagtem Chef begleitet und der willigt ein. Shukran!

Aber zuerst möchte man uns noch die Ruinen der Israelis (Bunkeranlagen und Geschosse) vom Jom-Kippur-Krieg gegen zeigen. Mit viel Stolz präsentiert man uns die Schmach der Israelis ;-). Während der Führung kommt aber ein Anruf vom Chef-Chef und der will offenbar nicht, dass wir hier übernachten. Der Chef entschuldigt sich in aller Form und meint, wir müssten bis zum Sueztunnel weiter und könnten da auf der Militärbasis nächtigen. Wir machen gute Miene zum bösen Spiel und hauen ab in die Wüste (wir lassen uns nicht gerne vorschreiben, wohin wir gehen sollen). Weiss der Geier, wer und was uns beim Sueztunnel erwartet!

Kurz vor Sonnenuntergang schaffen wir es noch, ca. 20 km westwärts in die Sinaiwüste hinein zu gelangen und unweit von der Strasse ein Nachtlager einzurichten. Erst als die Kinder nach Spaghetti al Pesto (hausgemacht mit Basilikum vom Mosesberg!) schon tief und fest schlafen, lesen wir im Reiseführer, dass wir auf Boden stehen, der im Jom-Kippur-Krieg heiss umkämpft war und dass hier immer noch Minen versteckt seien. Auch unzählige Meter von Stacheldraht und verlassene Militäranlagen weisen auf unangenehmere Zeiten hin. Das Militär würde zudem recht unsaft mit wilden Campern umgehen, weil Schmugglerverdacht bestünde. Nun: Die Nacht verläuft ruhig und niemand scheint sich für uns Schweizerlein zu interessieren. Ausser die Zahnfee: Die hat trotz Minen und Stacheldraht den Weg unter Olivia’s Kopfkissen gefunden und einen Batzen zurück gelassen!

19. – 24. September 2011: ein kurzes Gastspiel in Kairo und dann ab in die Wüste

So: Und heute schaffen wir den Sprung nach Afrika! Frühmorgens verlassen wir unser spezielles Camp und peilen den Sueztunnel an. Vorher würden wir aber gerne noch den Kanal sehen. Aber das Gelände ist so stark vom Militär abgesichert, dass man die Strasse nicht verlassen kann. Auch mit Fragen und Bitten kommen wir nicht weit: Erstens spricht hier KEINER der Uniformierten Englisch (und unser Arabisch ist bis Dato noch nicht so umfassend) und zweitens hat eh keiner das geringste Verständnis für unser Bedürfnis. Wieso auch? Ein Kanal – was ist daran so speziell??? Also lassen wir den Checkpoint vor dem Tunnel über uns ergehen und verneinen natürlich, Gas mit an Bord zu haben (ist aus Sicherheitsgründen im Tunnel nicht erlaubt!), was man uns problemlos abnimmt, Hauptsache, die Frage wurde gestellt…

Welcome Africa! Wir sind hoch erfreut, ENDLICH in Afrika zu sein und finden, auf der anderen Seite des Suezkanals ginge es schon wesentlich afrikanischer zu und her, aber das ist bestimmt Einbildung...

Egal! Die Strasse zumindest bleibt unverändert gut und so schaffen wir es, die Riesenmetropole Kairo noch vor Mittag zu erreichen. Schon viele Kilometer vor Kairo macht sich die Grossstadt bemerkbar. Plötzlich herrschen andere Verkehrsregeln: Überholen beidseitig, aus drei Spuren werden sieben gemacht – aber es funktioniert. Das einzige, was man braucht, um im Verkehr mitzuhalten, ist eine Hupe. Zuerst geht Sämi noch etwas zaghaft um mit diesem Fahrzeugzubehör, aber schon bald weiss er uns durch den Verkehr zu hupen und einen Weg zu bahnen. Es funktioniert tiptop und wir erleben das Kairoer Verkehrschaos als gar nicht so übel, wie wir es beschrieben bekommen haben und finden den Campingplatz im Süden von Kairo auf Anhieb. Aber dazu muss noch der Nil überquert werden und darauf freuen wir uns einmal mehr. Olivia und Gian sperbern in die Tiefe runter und sind ganz, ganz sicher, Krokodile (wenn auch nur die Augen und die Zähne) entdeckt zu haben…! (Anmerkung: Krokodile gibt es nur noch in Oberägypten, erst oberhalb der Staumauer von Aswan im Nassersee). Und so tauchen wir ein in den Smog der 22-Millionen-Stadt Kairo (A propos Smog: Gian stellt mit Erstaunen fest, dass es hier ja Nebel hat…).

Der Campingplatz hat wohl schon bessere Zeiten durchlebt, aber er ist gross, bietet Schatten und einen (wenn auch nicht mehr ganz modernen und tadellosen) Spielplatz. Entzückt stürzen sich Olivia und Gian auf die verrosteten und nicht mehr ganz funktionstüchtigen Schaukeln und Rutschen. Nach kurzer Mittagspause wollen wir die Pyramiden und die Sphinx von Giseh besichtigen. Dafür nehmen wir ein Taxi, damit auch Sämi den Kairo-Verkehr vom Beifahrersitz aus geniessen kann. Abgesehen von den aufsässigen Händlern sind wir sehr angetan von Giseh. Diese Pyramiden und die Sphinx (Erinnerungen aus unserer eigenen Sek-Zeit kommen hoch!) sind ihren Besuch Wert.

Der Taxifahrer bringt uns dann nach kurzem Zwischenstopp beim Gemüsehändler inmitten des Kairoer Feierabendchaos zurück zu unserem Platz und wird uns morgen in die Innenstadt zur sudanesischen Botschaft fahren. Auf dem Platz treffen wir auf andere Overlander: Eine deutsche Familie und weiter Frank, ein deutscher «Aussteiger», der mit seinem uralten Mercedes Rundhauber das Afrika-Abenteuer sucht. Sie raten uns alle vom Gang zur sudanesischen Botschaft ab. Die Leute seien sehr unfreundlich und es gäbe lange Wartefristen. Wir sollten aufs Konsulat in Aswan. Jetzt sind wir doch extra wegen diesem Visum nach Kairo gekommen, weil uns bisher niemand mit Sicherheit sagen konnte, dass das Konsulat in Aswan ein Visum ausstellt. Ganz nach dem Motto «lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach» wollen wir unser Glück in Kairo versuchen und lassen uns ins Herzen von Kairo fahren, vorbei am Tahrir-Platz (wo am 25. Januar 2011 grosse Geschichte geschrieben wurde und immer noch jeden Freitag Demonstrationen abgehalten werden) in eine Hintergasse zu einem Gebäude, das bei uns wohl dem Abbruch gewidmet wäre. Aber genau hier drin, im Erdgeschoss - kein wenig angeschrieben oder wenigstens mit einer Flagge gekennzeichnet – befindet sich tatsächlich die Botschaft der Republik Sudan. Ein «Loch» von einem Raum, kalt, dunkel, schmutzig, kaputte Stühle, in der Ecke ein defektes Kopiergerät und zwei improvisierte Schalter, an denen eine Schlange Leute ansteht. Immerhin werden wir weissen Fremdlinge rechts an einen speziellen Schalter gewiesen. Und ernüchtert müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass hier wirklich in unfreundlichem Ton gesprochen wird und dass aufgrund von Computerproblemen das Ausstellen eines Sudan-Visums drei lange Wochen in Anspruch nehmen würde. Drei Wochen «Ferien» in Kairo? Nicht mit uns! Wir versuchen es noch mit dem «Familienbonus», aber der unfreundliche Mann ist nicht zu knacken und so lassen wir uns vom Taxi wieder zurück zum Lastwagen bringen. Ausser Spesen nix gewesen! Wir zögern keine Minute und entschliessen uns, sofort dem heissen, mückenverseuchten und für unsere Kinder unpässlichen Kairo den Rücken zu kehren, um uns in die Lybische Wüste aufzumachen – entlang der Oasen Bahariya, Farafra, Dakhla, und Kharga.

Eine mehrtägige und knapp 1800 km umfassende Tour durch die Schwarze Wüste, die Weisse Wüste und das grosse Sandmeer, immer wieder unterbrochen von fruchtbaren Oasen (was für ein Kontrast zur Wüste!) bringt uns durch ein wunderschönes Gebiet von Ägypten! Wobei der absolute Höhepunkt die Weisse Wüste darstellt. Wir erinnern uns noch, wie wir uns damals, als wir unsere ersten Reisepläne erstellten, gewünscht haben, die weisse Wüste zu besuchen und jetzt stehen wir plötzlich inmitten dieser kalkhaltigen Formationen und unsere Kinder spielen im schneeweissen Sand dieser mysteriösen Wüste (Anmerkung: Noch nicht lange her brauchte man noch eine Bewilligung, für diese Strecke). Etwas vom Allerschönsten ist aber das Übernachten hier draussen. Die absolute Stille, der feine Wind, der Sternenhimmel und der Mond, der die weissen Kalkgestalten zu allerlei menschlichen und tierischen Figuren macht – das ist unbeschreiblich schön und ein Erlebnis, wovon wir noch lange zehren werden!

Die Weisse Wüste, die verhältnismässig ein kleines Gebiet der Lybischen Wüste ausmacht, ist zum Nationalpark erklärt worden und daher sollte man nur auf den vorgesehenen Tracks fahren und nur an markierten Plätzen übernachten. Kontrolle wird aber keine gemacht und auch am Parkeingang ist niemand, der auf die Parkregeln aufmerksam macht. Nur eine verwitterte und kaum auffindbare Tafel weist auf die Regeln im Park hin und gibt Auskunft über die befahrbaren Tracks. Wir verbringen zwei Tage in dieser wunderschönen Landschaft und es scheint so, dass wir die weisse Wüste praktisch für uns alleine haben. Zumindest treffen wir in der ganzen Zeit auf nur ein einziges Fahrzeug.

Staubig, aber glücklich und erfüllt von den schönsten Eindrücken kehren wir nach vier Tagen in der Wüste in die Zivilisation zurück und gelangen nach Luxor, wo wir nach nur einer Nacht eine weitere Etappe zurücklegen wollen und das hat seinen Grund: Wir fahren ans rote Meer nach Kosir, wo uns «hoher» Besuch erwartet: Nonna und Nonno (Sämi’s Eltern) haben gestern hier im Hotel eingecheckt und die Sehnsucht, sie zu sehen, ist allseits sehr gross und deshalb sparen wir Luxor für später auf. Also fahren wir halt nochmals 250 km – ich lese den Kindern «Das kleine Gespenst» vor, um die Fahrt kurzweiliger zu machen. Und schon sind wir in Kosir und das Wiedersehen mit Peter und Ma ist herzlich und einfach nur schön! Die Überraschung ist uns gelungen, sie erwarten uns zwei Tage später.

25. September – 2. Oktober 2011: ein langer Weg zum sudanesischen Visum

Die luxuriöse Hotelanlage am roten Meer ist schon etwas gewöhnungsbedürftig. Zudem sprengen die Zimmerpreise unser ohnehin schon recht strapaziertes Reisebudget. Hier können und wollen wir nicht für ein paar Tage einchecken. Eine Nacht wollen wir uns aber leisten, zumal Olivia und Gian extrem gerne in den Pool wollen und diesen nach den langen Strecken durch die Wüste auch verdient haben. Spätestens beim Nachtessen im Restaurant merken wir, dass unsere Kinder die Tischsitten auf der Reise etwas verlernt haben… Na ja, eine solche Reise darf ja auch negative Nebenwirkungen haben – wenn sie nicht schlimmeren Ausmasses sind. Wir werden bei Bedarf wieder an den Regeln am Esstisch arbeiten.

Eigentlich wäre geplant gewesen, nochmals ein paar Tage am roten Meer Badeferien zu machen. Da wir aber das Visum für den Sudan noch nicht haben und keine Ahnung haben, was uns auf dem Konsulat in Aswan erwartet, entschliessen wir uns, schon am übernächsten Tag die knapp 500 km nach Aswan zu fahren, um dort die Visa zu beantragen und uns um eine Reservation eines Platzes auf der Fähre über den Nassersee zu kümmern. Olivia und Gian dürfen wir Nonna und Nonno im Hotel überlassen. Das ist zwar komisch und gewöhnungsbedürftig, nach sieben Wochen engem Familien-Zusammensein plötzlich ohne Kinder loszufahren, aber natürlich ist das die perfekte Lösung für die Kinder und Nonna und Nonno können etwas «aufholen».

Wir geniessen einen freien Abend im quirligen Städtchen Kosir und vertiefen uns mit vielen Leuten in gute und interessante Gespräche, was ohne Kinder einfach viel besser möglich ist und verpflegen uns «über die Gasse» mit Tameya (Falafel) und Fleischtaschen – auch das geht ohne Kinder entspannter.

Sehr früh fahren wir am nächsten Morgen los, um kurz nach Mittag in Aswan zu sein und das sudanesische Konsulat aufzusuchen. Wir stellen den Lastwagen bei Adam’s Home ab – der einzige Platz vor Ort, der sich für Camper eignet. Sam, ein Nubier (schwarze Menschen aus dem Gebiet von Oberägypten und dem Sudan), empfängt uns herzlich. Wir fragen ihn, ob er uns ein Taxi zum Konsulat bestellen könnte. «Mohamed, my friend», meint er, könne uns fahren und schon ruft er diesen an.

Nicht schon wieder ein Mohamed, der sein Geschäft mit uns machen möchte, denken wir. Und schon fährt dieser Mohamed mit seinem klimatisierten und üppig dekorierten Auto vor und will uns zum Konsulat chauffieren. Es stellt sich heraus, dass wir mit diesem Mohamed, auch ein Nubier, einen herzensguten und goldigen Menschen getroffen haben, der nicht aufs Geld aus ist, sondern einfach nur hilfsbereit und gastfreundlich ist. Nach dem erfolgreichen Besuch auf dem Konsulat (in fünf Tagen könnten wir das Visum abholen – das sind ja im Vergleich zu Kairo tolle Aussichten!) bringt er uns zu einem Internetcafé, überrascht uns mit einer Verpflegung und fährt uns zum Suk, wo er uns nach getanen Frucht-Einkäufen ins nubische Café einlädt. Dann führt er uns über den alten Staudamm aus dem Jahre 1902 vorbei an seinem nubischen Dorf und zurück zu unserem Stellplatz und will NICHTS für seine Dienste.

Ach ja, bei Mr Salah waren wir auch noch. Er verteilt die Plätze auf der Autobarke, die hinter der Personenfähre den Nassersee hinauf in den Sudan tuckert. Wir wollen uns erkundigen, ob er unsere E-Mail-Reservation vor einer Woche erhalten hat. Natürlich nicht, er muss ja zuerst den Computer aufstarten… Er will uns einen Platz am 3. Oktober andrehen, aber das ist uns eigentlich zu früh, denn wir müssen ja wieder nach Kosir zurück, um die Kinder abzuholen und wollen noch ein paar Tage mit Sämi’s Eltern in Luxor verbringen. Ja gut, dann sollen wir die Fähre am 10. Oktober nehmen, aber wenn wir dann das einzige Fahrzeug sind, müssen wir die ganze Barke bezahlen – umgerechnet 3000 Franken! In der Hoffnung, dass noch andere Fahrzeuge hinzukommen würden, halten wir an der Reservation für den 10. Oktober fest und nehmen das finanzielle Risiko auf uns.

Nach nur einer Nacht in Aswan brechen wir wieder auf und fahren das Niltal hinunter und zum roten Meer zurück, wo unsere Kinder uns weniger vermisst haben als wir sie. Wir nehmen uns aber zwei Tage Zeit für die Rückfahrt und statten dem Tempel in Edfu einen (kinderlosen!) Besuch ab und gönnen uns eine ruhige und herrliche Nacht unter dem Sternenhimmel irgendwo in der Wüste zwischen Edfu und Marsa Alam.

Wir können es kaum erwarten, unsere Kinder nach nur zwei Tagen und Nächten Abwesenheit wieder zu sehen! Nun sind uns auch noch zwei Tage Baden und Schnorcheln gegönnt, bevor wir zurück nach Aswan müssen, um erneut auf dem sudanesischen Konsulat vorzutraben (wir nächtigen ausserhalb der Hotelanlage und «schleichen» uns unauffällig ein, obwohl wir beim Personal schnell bekannt sind und hohen Respekt geniessen).

Mit zwei Passagieren mehr an Bord fahren wir am 30. September nach Aswan. Nonna und Nonno nehmen sich ein Hotel und wir gehen wieder zu Adam’s Home, wo uns Mohamed schon erwartet.

Am nächsten Morgen geht’s aufs Konsulat. Schliesslich wurden wir für heute aufgeboten. Aber wir stehen vor verschlossenen Toren. Kein Wunder, es ist Samstag, da haben viele Büros zu. Die Tatsache, dass noch zwei Südafrikaner, zwei Deutsche (alte Bekannte aus Aqaba!) und sogar ein Sudanese anbrennen, bestätigt uns, dass wir nichts falsch verstanden haben. So was! Da wird man vom Konsul aufgeboten und dann ist er nicht da! Es gibt nur eines: Morgen wieder kommen.

Also gehen wir halt wieder zu Mr Salah aufs Fährenbüro und erkundigen uns nach dem Stand der Dinge. Es sieht schon besser aus: Für den 10. Oktober seien noch zwei andere Fahrzeuge hinzugekommen- in shallah! Fürs erste beruhigt verlassen wir Mr Salahs Büro und lassen uns von Mohamed mit dem Motorboot über den Nil führen. Das wird ein richtig schöner und gemütlicher Nachmittag und Mohamed verwöhnt uns mit einem reichhaltigen Picknick bestehend aus allerhand Köstlichkeiten, die er vorher noch schnell im Suk organisiert hat.

Am Sonntag hat das Konsulat geöffnet und obschon wir vor den Deutschen und den Südafrikanern hier sind, will es die höhere Macht namens Allah, dass wir Schweizer zuletzt an die Reihe kommen und ganz schön lange ausharren müssen, bis wir im Besitz des sudanesischen Visums sind. Nachdem nämlich die Pässe der Südafrikaner und Deutschen gemacht sind, können wir nicht bezahlen, weil die Dame an der Kasse schnell zur Bank ging. Erst mit der Quittung können die Pässe weiter bearbeitet werden und so warten wir geduldig auf die Kassendame (Sämi mit Olivia Tschau-Sepp spielend und Gian kommt zum wiederholten Male in den Genuss des Froschkönig-Bilderbüchleins) und dann müssen wir uns im oberen Stock wieder gedulden, weil der Unter-Konsul zuerst noch ein paar wichtige Telefonate führen und zwischendurch zum Gebet verschwinden muss. Nach fast vier Stunden ewiger Warterei verlassen wir erleichtert, hungrig und um ein Visum reicher das sudanesische Konsulat. Wir haben es geschafft! Nun sei uns ein erfrischendes Bad im Hotelpool direkt am Nilufer nicht vergönnt!

3.– 7. Oktober 2011: Luxor

Mit Sämi’s Eltern fahren wir nochmals nach Luxor, um uns hier von Peter herumführen zu lassen. Schliesslich hat er hier schon zweimal einige Zeit verbracht, um Arabisch zu lernen.

Wir geniessen es, einmal einfach hinterher laufen zu dürfen und nicht immer selber das Programm bestimmen zu müssen. Und so zeigt uns Peter die Westseite von Luxor (der ursprüngliche Stadtteil) und führt uns durch Gässchen und Märkte, vorbei an Leuten, die sich alle freudig seiner erinnern.

Sämi und ich bekommen nochmals einen Morgen frei, um das Tal der Könige und den Hatschepsut-Tempel zu besuchen. Im Tal der Könige besuchen wir drei Gräber (für mehr gilt das Ticket nicht – die Gräber müssen geschont werden, weil sie schon sehr viel Schaden genommen haben unter den Schweiss ausdünstenden Besuchermassen) und erklimmen den Berg zwischen dem Königstal und dem Hatschepsut-Tempel, um die einmalig schöne Aussicht auf das grüne Niltal zu geniessen. «Hey, it’s very dangerous here. I show you the way…», meint ein selbsternannter Führer in Erwartung eines Bakshish. Der Aufstieg ist allerdings unproblematische und lohnt sich und wird für mich als «alte Berggeiss» (Zitat Sämi) zum persönlichen Highlight dieses Morgens. Der anschliessende Besuch des Hatschepsut-Tempels stimmt uns nachdenklich, denn hier wurden am 17. November 1997 57 mehrheitlich schweizer Touristen von Terroristen erschossen. Kein Mahnmal und gar nichts erinnert an diese grauenvolle Tat. Unser Besuch hier fällt eher kurz aus, was vielleicht aber auch an der aufsteigenden Mittagshitze und den wachsenden Touristenströmen liegen mag.

Im Garten des Hotel-Restaurants El Fayrouz geniessen wir für bloss 4.50 Pfund (50 Rappen!) einen frisch gepressten Zitronensaft und treffen bald wieder auf Olivia, Gian und ihre Aufpasser und gönnen uns ein feines Mittagessen. Nun steht uns noch ein letzter Tag in Luxor bevor und dann heisst es, zurück nach Aswan zu fahren, wo wir am Samstagmorgen wieder mit Mr Salah verabredet sind und fest hoffen, dass er uns nicht vergessen hat und wir einen definitiven Platz auf der Fähre und für den Lastwagen auf der Barke erhalten werden. In Ägypten läuft vieles sehr kompliziert – das mit dieser Nasserseeüberfahrt ist so ein Beispiel. Wir sind froh, wenn uns da Mohamed nochmals seine Unterstützung anbieten wird. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir nach getanen Formalitäten am Montag, 10. Oktober 2011 mit der Fähre in Aswan ablegen und nach ca. 17-stündiger Überfahrt in Wadi Halfa (Sudan) ankommen. Al Hamdulilah!

Mit Ägypten verlassen wir ein wunderschönes Land mit sehr freundlichen und liebenswürdigen Menschen, denen wir den politischen Umbruch sehr gönnen. Leider ist für Individualreisende Ägypten ein eher teures Land (Ein- und Ausreise) und wir wissen daher nicht, wann wir uns dieses Land auf dem Landweg wieder leisten können. Aber auch wir haben vielleicht mal Lust auf Fly-in-Badeferien... Ägypten jedenfalls steht auf unserer Top-Liste!

 

Aber jetzt heisst es nochmals: Assuan und vor allem das Zusammensein mit Sämi’s Eltern geniessen. Denn hier werden sich unsere Wege leider wieder trennen. Es war für uns sehr schön, sie hier zu treffen und wir hoffen natürlich, dass wir bald wieder irgendwo Besucher aus der Heimat in die Arme schliessen dürfen. Vielen Dank, Nonna und Nonno, dass ihr gekommen seid!! Kommt doch einfach bald wieder zu uns nach Afrika…